9.000 Kilometer entfernt, doch auf einem Bildschirm verbunden

Überpünktlich tauchen die Köpfe der brasilianischen Partnerinnen und Partner am Bildschirm auf. „Wir wollen doch bei der ersten Videokonferenz mit unseren Freunden der Partnerdiözese Graz-Seckau nicht zu spät kommen. Immerhin ist Pünktlichkeit nicht gerade eine Stärke von uns Brasilianern, schmunzelt Bischof Dom João Santos Cardoso. Nachdem die letzten technischen Hürden gemeistert wurden, ist die die Gruppe mit insgesamt 15 Teilnehmern aus der Steiermark und Brasilien komplett. Es ist verblüffend, wie einfach es in kürzester Zeit gelingt, „die Welt“ auf einen Bildschirm zu holen.
Tânia de Souza Santos ist Mitglied der brasilianischen der Partnerschaftsgruppe aus Bom Jesus da Lapa. Sie schildert im Gespräch die besorgniserregende Corona-Siuatoin in Brasilien: „Derzeit liegt Brasilien an dritter Stelle der Länder mit den höchsten Infektionszahlen. Rund 1180 Todesfälle pro Tag gibt es aktuell laut offiziellen Zahlen.“ Diese seien aber fern von jeglicher Realität. Die tatsächliche Zahl der Todesopfer sei mehr als doppelt so hoch, die Dunkelziffer der Infizierten sogar bis zu viermal so hoch. Wegen fehlender Tests würden alle Experten im Dunkeln tappen.
Am stärksten von Corona betroffen sind laut Santos die Metropolen São Paulo, Rio de Janeiro und Recife. Hier leben die Einwohner in vielen Stadtteilen wie aneinandergeklebt in ihren Hütten. An sozialem Abstand ist gar nicht zu denken. Corona hat sich hier zu einem Zwei-Klassen-Virus entwickelt. Die Armen sind am stärksten betroffen. Hunderttausende Tagelöhner müssen arbeiten, um überleben zu können. Zudem kommt, dass das Gesundheitssystem in Brasilien bereits völlig überfordert ist. In den überfüllten Spitälern gibt es keinen Platz mehr.
Präsident Jair Bolsonaro hält trotz allem an seinem Kurs fest: Das gesellschaftliche Leben müsse weitergehen, damit die Wirtschaft nicht still steht. Er selbst ignoriert die Empfehlungen der WHO, verweigert Schutzmaßnahmen und streitet mit den Gouverneuren der Bundesstaaten, die der Bevölkerung sehr wohl stärkere Einschränkungen auferlegen. Dieses uneinheitliche Bild der Politik spiegelt sich auch in der Bevölkerung wieder. Ein Teil steht hinter dem Präsidenten und missachtet die Maßnahmen der Gouverneure. Andere wiederum halten sich strikt an die Verordnungen.
Die Mitglieder der brasilianischen Partnergruppe sind sich einig, dass sich Brasilien mitten in der Corona-Krise auch in einer politischen Krise befindet. Innerhalb von einem Monat hat Bolsonaro zwei Gesundheitsminister abgesetzt, und sein Justizminister ist zurückgetreten. „Es ist eine Strategie von Bolsonaro, kontinuierlich Sachverstand aus der Regierung zu drängen. Inzwischen sind schon zwei Drittel der Regierungsposten mit Militärs besetzt“, sagt Santos kopfschüttelnd.
Mittlerweile leiden Arme und Arbeitslose in der Diözese Bom Jesus da Lapa bereits Hunger. „Durch Hilfsprojekte in den Pfarren und sozialen Kooperationen, konnte jedoch viel Positives bewirkt werden“, erzählt Bischof Dom João. Er schätzt die Vielzahl an pfarrlichen Initiativen, die Menschen in der Krisenzeit bei ihren Ängsten und in ihrer Einsamkeit begleiten.
Am Ende des Gesprächs ruft er nochmals lautstark durchs Mikrophon: „Du bist nicht allein! Es ist schön, mit euch zusammen zu sein und, dass wir auch in dieser Zeit verbunden sind, und unseren Slogan leben.“